Die stumme Sprache der Bilder
Zur Kunst von Daniel Odermatt
Christoph Zuschlag
Ein junger Mann sitzt auf dem Boden und tippt eine SMS in sein Handy. Doch es ist, wie der Bildtitel verrät, »zu spät«. Wurde da gerade eine Beziehung beendet? Eine Frau ist im Begriff, die Szene zu verlassen. im Gehen wendet sie sich um zu einer anderen Frau, die den Blick gesenkt hält. »Was bleibt zurück?«, fragt der Titel. Geht es auch hier um eine Beziehung, um enttäuschte Freundschaft, um Trauer — oder um etwas ganz anderes? Ein letztes Beispiel: Ein dunkelhäutiger Junge und zwei Frauen sitzen rücklings auf einer Bank. Der Junge dreht sich um, die Lippen geöffnet, den Betrachter überrascht und fragend anblickend. Wie stehen die Personen im Bild, wie der Junge und der Betrachter »zueinander«?
Daniel Odermatts Bilder und Zeichnungen erzählen Geschichten, die aus dem Leben gegriffen sind. Sie behandeln existentielle, häufig zwischenmenschliche Themen (das erklärt die Häufigkeit von Zweifigurenbildern in seinem Œuvre), und sie werfen Fragen auf. Aber nicht nur deshalb sprechen sie den Betrachter unmittelbar an, lösen sie starke Gefühle aus, sondern auch wegen ihrer einzigartigen, Figuration und Abstraktion verbindenden Bildsprache.
Die Bilder und Zeichnungen entstehen in einem langwierigen, intensiven Prozess, an dessen Anfang ein in der Regel vom Künstler selbst gemachtes digitales Foto steht. Dabei inszeniert Odermatt Situationen mit Freunden und Bekannten, die er dann fotografiert, oder er verwendet zufällige Schnappschüsse mit fremden Personen. Für das eingangs erwähnte Bild »zu spät« beispielsweise fotografierte Odermatt mehrfach einen Freund, wie er im Garten auf dem Rasen saß und sich an einen Brunnen lehnte — eine gestellte, arrangierte Situation. Ganz anders war der Ausgangspunkt beim großformatigen Bild »Ursache und Wirkung«. Ihm liegt ein Foto zweier im Sand spielender Kinder zugrunde, das auf einer Reise durch Ecuador entstand. Von diesem Schnappschuss sind im Bild jedoch lediglich Haltung und Kleidung der Kinder übrig geblieben, Komposition und Kolorit wurden erst im Computer und im Malprozess entwickelt. Für jedes Bild und jede Zeichnung entwirft Odermatt nämlich mit dem Bildbearbeitungsprogramm Adobe Photoshop eine digitale Skizze, die als Vorlage für die Ausführung auf der Leinwand dient. Einen wesentlichen Anteil am kreativen Prozess macht tatsächlich diese Vorarbeit am Computer aus. Odermatt schneidet die Figuren aus, verändert sie farblich und stellt sie in einen neuen Kontext, er ergänzt den Himmel und die monochromen Farbflächen, die den Hintergrund der Bilder bilden, arbeitet die Lichter und Schatten heraus. Am Ende steht eine digitale Skizze, in der die Bildkomposition festgelegt ist, während sich im anschließenden Malprozess die Farben häufig noch ändern. Etwa die Hälfte, schätzt der Künstler, kann er von der Skizze übernehmen, die andere Hälfte folgt den Gesetzmäßigkeiten auf der Leinwand.
Für die Leinwandbilder verwendet Daniel Odermatt Acrylfarben, die er auf der Palette mischt und mit Wasser verdünnt. Er malt nicht alla prima, wie es etwa im Impressionismus und im Expressionismus üblich war, sondern verwendet eine Lasurtechnik, bei der die Farben in vielen, teilweise hauchdünnen Schichten aufgetragen werden. Da es sich um einen langsamen und langwierigen Prozess handelt (der Künstler arbeitet durchschnittlich vier Wochen an einem Bild), muss Odermatt mitunter Trocknungsverzögerer einsetzen, um genügend Zeit zum Arbeiten zu haben. Er beginnt stets mit den Figuren, mit den Gesichtern und Haaren, es folgen die Körper der Figuren und schließlich der Hintergrund. Ganz am Ende wird ein Firnis aus Acrylharz über die Oberflächen gesprüht. Die Werktitel vergibt der Künstler während des Malens oder nach Abschluss der Arbeit.
Die Zeichnungen sind mit Buntstift, Graphit und Pastellkreide auf Papier gearbeitet. Dargestellt sind hier häufig einzelne, stärker angeschnittene Figuren, zum Beispiel Frauenköpfe im Profil. Sie wirken nachdenklich, in sich versunken. Bemerkenswert ist, wie die Zeichnungen im kleinen Format doch auch alle inhaltlichen und formalästhetischen Qualitäten der Leinwandbilder haben und damit gleichberechtigt neben den Gemälden stehen.
Seine Bildideen entwickelt der Künstler zum einen auf der Grundlage visueller Eindrücke, also aus der Beobachtung und dem fotografischen Fixieren alltäglicher Situationen, Körperhaltungen, Gebärden und Gesten heraus; zum anderen als rein gedankliche Konzepte, für deren Umsetzung er dann mit Freunden und Bekannten die entsprechenden Fotografien inszeniert.
Entscheidend für die Wirkung der Bilder ist der Kontrast zwischen den naturalistisch gemalten Figuren im Vordergrund und den monochromen, geometrischen, klar voneinander abgegrenzten Farbflächen, die den Fond der Bilder und Zeichnungen bilden. Diese farbigen Flächen, vor, in und zwischen denen die Figuren losgelöst von ihrem realen Umfeld und bisweilen sonderbar schwerelos erscheinen, haben sowohl eine kompositorische als auch eine inhaltliche Bedeutung. Sie strukturieren die Bildfläche, und sie sind zugleich wesentlicher Bestandteil der Bildaussage, weil sie Distanz zwischen den Figuren schaffen. Auch in den Einfigurenbildern kommt den Farbflächen diese doppelte Funktion zu. Wenn etwa in »Zeit für etwas neues« es allein der unterschiedlich gearbeitete Hintergrund — hier eine klare, türkisfarbene, monochrome Fläche, dort ein düsterer Wolkenhimmel, wie er in mehreren Bildern vorkommt — ist, der die Trennung von Vergangenheit und Zukunft andeutet. Ähnliches gilt für »auf der Suche«. Bisweilen nutzt Odermatt einen illusionistischen Effekt, wenn nämlich seine Figuren buchstäblich in die Komposition eingreifen. So legt in »Einsicht« die linke der beiden Frauen ihre Hand um die Kante der grauen Fläche über ihren Köpfen und zieht sie nach unten, dabei im oberen Bilddrittel den Blick auf Himmel und Geäst freigebend. In »Was bleibt zurück?« greift die linke Figur in einen grauen, Falten werfenden Schleier am linken Bildrand. im nächsten Moment wird sie ihn beiseite schieben und die Szene verlassen.
In den Bildwelten von Daniel Odermatt herrschen eine eigentümliche Stille, Kühle und Melancholie vor. Die Bilder und Zeichnungen haben etwas Verschlossenes und Geimnisvolles. Odermatts Figuren wirken weder heiter noch glücklich, vielmehr seltsam entrückt. Sie agieren jede für sich, ohne dass eine Interaktion und Kommunikation stattfindet. Auch wenn sie sich einander zuwenden, finden die Menschen doch nicht zueinander. Sie bleiben einsam.
Es verwundert nicht, dass Daniel Odermatt mit Diego Velázquez, Jan Vermeer und Neo Rauch einige der grossen Figurenmaler der Kunstgeschichte verehrt und mit Gerhard Richter einen Künstler, der souverän die Grenzen zwischen Figuration und Abstraktion überschreitet. Odermatts Kunst, die Bezüge zum magischen und zum Fotorealismus ebenso wie zur geometrisch-konstruktiven und zur Farbflächenmalerei aufweist, vereinigt so unterschiedliche Ansätze wie Figuration und Abstraktion, Intuition und Konstruktion, digitale und analoge Werkprozesse. Daniel Odermatt hat bereits in nur wenigen Jahren künstlerischer Praxis – er malt und zeichnet seit 2010 – eine bemerkenswerte, eigene Position entwickelt. Auf sein weiteres Schaffen darf man gespannt sein.
© Prof. Dr. Christoph Zuschlag, Juni 2013
Zwischen ,Alleinsein‘ und ,Einsamsein‘
Katharina Dück
Wir alle kennen Momente, in denen man sich plötzlich – vielleicht auch schmerzlich – des Unterschieds zwischen dem „Alleinsein“ und dem „Einsamsein“ bewusst wird: Es ist einer jener Momenten, in denen man zum Beispiel nach einer langen Reise endlich zu Hause ankommt, aber keiner auf einen wartet, oder zumindest entgegenläuft, um zu begrüßen, willkommen zu heißen oder uns zumindest eine Willkommensgeste oder einen Willkommensblick würdigt und damit unserer Ankunft einen Sinn gibt. Vielleicht ist es auch eine Situation in der ein Mensch, der einem viel bedeutet, vielleicht sogar ein Mensch, den man geliebt hat, aufsteht, einem den Rücken kehrt und ohne ein weiteres Wort oder eine Verabschiedungsgeste geht, weil alles am Ende doch nur Ansichtssache ist. Oder man sitzt neben einem Menschen, jedoch nicht mit ihm, weil vielleicht alles gesagt ist. Was bleibt dann noch zurück? Und so fühlt man sich plötzlich in diesen und ähnlichen Situationen einsam, obwohl man eigentlich nicht alleine ist. Formal sind solche Situationen recht ähnlich und doch nicht gleich: Man ist äußerlich oder innerlich ein „Einzelnes“, doch während man den Zustand des „Alleinseins“ freiwillig wählt, wird man zum „Einsamsein“ von anderen bestimmt – durch ihre Abwesenheit; oder das „Einsamsein“ ergibt sich aus einer Reihe von Momenten, denen eine misslungene oder verwehrte Kommunikation zugrunde liegt, die sich nicht immer lediglich in Worten, sondern auch und vielleicht am stärksten, in Gesten und Blicken offenbart.
Daniel Odermatt, der Gewinner des Fachjurypreises des Kunstvereins Neustadt a. d. W. „Junge Künstler in der Villa 2014“ versteht es wie kaum ein anderer Gegenwartskünstler, diesen feinen Unterschied zwischen dem „Alleinsein“ und dem „Einsamsein“ vor Augen führen. Er zeigt in seinen Werken diese für die zwischenmenschliche Kommunikation so wichtigen Zustände mithilfe subtiler Zeichen, die sich vor allem in Gestik und Mimik manifestieren. Sicherlich sind die Zustände „Alleinsein“ und „Einsamsein“ in Odermatts Werken augenfällig, doch sie sind es nicht allein, die den Reiz seiner Werke ausmachen. Er versteht es, sehr facettenreich zwischenmenschliche Beziehungen zu differenzieren zwischen ,allein mit sich‘ und ‚allein unter vielen‘, aber auch zwischen ‚Ankunft‘ und ,Abschied‘ zwischen ‚ich sehe dich‘ und ‚ich erkenne dich‘, zwischen ‚Realität für sich‘ und ‚Realität an sich‘.
Fangen wir mit der Realität an. Sie ist tatsächlich Ansatz für Odermatts Bilder. Allerdings bildet er die Realität nicht ab: Er inszeniert zunächst einmal eine Realität, die es ,an sich‘ nicht gibt, aber ,für sich‘, nämlich für Odermatt selbst. Das heißt, dass er zunächst eine Vorstellung von einem Bild hat; dann inszeniert er dieses Bild mit Freunden und Bekannten, was allein schon recht ungewöhnlich ist, und hält dieses Bild fotografisch fest. Diese Fotografien erst bilden die eigentliche Grundlage für seine Werke. Sie sind jedoch keine Porträts seiner Freunde. Die Modelle spielen eine Rolle, verkörpern einen Gefühlsmoment oder Zustand, eben jene Realität, die sich Odermatt zuvor bis ins Detail vorgestellt hatte – einschließlich Körperhaltungen, Gesten, Minenspiel –, um eben die zuvor erdachte Bildaussage zu erreichen. Die menschliche Figur steht dadurch klar im Vordergrund, wobei die Bildaussage weit über die reine Abbildungsfunktion hinausgeht.
Die naturgetreue Wiedergabe der menschlichen Physiognomien ist ein signifikantes Merkmal von Odermatts Arbeiten, allerdings ist ihm von mindestens ebenso großer Bedeutung, kleine nachdenkliche Geschichten zu erzählen, die sich aus der Komposition der Figuren und ihrer konstruierten fiktiven Bildräume ergeben. Dabei stehen die Figuren in einer seltsamen Spannung zu ihren jeweils auf das Wesentliche reduzierten Räume in Verbindung mit streng abgegrenzten Naturelementen: Während letzterer in Form von meist unruhigem Himmel oder kargem Baum Gegensatz zum architektonischen oft in Farbfeldkombinationen konstruierten Raum steht, wirken gerade dadurch Odermatts realistische Figuren, die meist in einer Bewegung oder Haltung in Anspannung dargestellt sind starr und kühl, ja fast losgelöst von ihrem pseudo-realistischen Umfeld. Zwischen Figur bzw. den Figuren und ihrem Raum entspinnt sich ein Konflikt von Inhalt und Wahrnehmung, die sich reziprok zu beeinflussen scheinen: Einerseits spiegelt der Raum die Emotionen der dargestellten Figuren wieder – wie etwa in den Werken „Zeit für etwas Neues“ oder „Was bleibt zurück“ – anderseits gibt der Raum durch Form und Farbgebung der Figur erst einen Sinn wie in „zu spät“.
Verdeutlichen wir uns diese Reziprozität an Beispielen: Das Acrylgemälde „zu spät“ beruht auf einer eigens dafür inszenierten Fotografie: Der Titel bezieht sich unmittelbar auf die dargestellte Situation des jungen Mannes und seine Zeitwahrnehmung im Unterschied zum realen Zeitverlauf. Darauf deutet nicht nur seine sich der Zeit ergebene in sich zusammengesunkene Körperhaltung hin, sondern auch der sich nicht mehr drehende Kreisel rechts von der Figur, der unterschwellig Vergänglichkeit und das Ende einer nicht unbedeutenden Begebenheit symbolisiert, wie etwa einer zwischenmenschlichen Beziehung. Einziger Kontakt zu dieser Beziehung der Blick auf das Handy. Allein aus der Kopfhaltung, der Blickrichtung und der Haltung der Hände, die rund um das Handy arrangiert sind – eine Hand aktiv, vielleicht verhalten tippend oder wischend, die andere fast schon hoffnungslos passiv hängend – scheinen sich vielfache Möglichkeiten einer Geschichte zu ergeben, wobei das Ursache-Wirkungsprinzip – wie in vielen Bildern Odermatts – keine unwesentliche Rolle an diesen Geschichtsfortführungen spielt: Was ist passiert? Und welche Handlung könnte eine die Zukunft beeinflussende Reaktion zur Folge haben?
Der konstruierte Raum unterstützt diese Deutung durch resignierendes die Figur einmauerndes Grau und aufnehmendes Hoffnung weckendes und Zukunft gerichtetes Grün, das ebenso aus dem Bildrahmen läuft wie das angeschnittene Bein, womit eigentlich auch die Standfestigkeit der Figur angeschnitten wird oder auch der nächste bereits in die Zukunft gerichtete Schritt. Und genau hier in der Spannung zwischen den naturalistisch gemalten oder gezeichneten Personen und den zum Teil streng monochromen, scharfkantigen, abstrakten Räumen lässt Odermatt genügend Freiraum für die Assoziationen der Betrachter seiner Werke, die sich in diesem gestalterischen Spalt von fiktiven Charakter und farblicher Distanzierung oder Imitierung befinden, je nachdem, welche Assoziationen aufgrund von persönlichen Erfahrungen einem Betrachter zur Verfügung stehen: Die Endlichkeit der Dinge kann hier ebenso herausgelesen werden, wie der hoffnungsvolle Blick in die Zukunft, oder eben auf das Handy.
Und auch der Anschnitt der Figuren zieht sich durch viele Werke Odermatts und wird ihm zum Markenzeichen: aus meiner Sicht ein gelungener Kniff um nicht nur die Figuren in ihren jeweiligen Lebensraum makroskopisch zu fokussieren, sondern auch die Bildsprache, die sich vor allem – wie eingangs angedeutet – in Blicken und Gesten am stärksten zeigen. Vielleicht malt Oderamtt deswegen genau diese zuerst: Hände und Gesichter, bevor der Rest des Bildes entseht. Es ist eine Reduktion auf unsere elementarsten Kommunikationsmittel, nämlich Augen und Hände. Und genau deswegen sieht man in Daniel Oderamatts Werken den Unterschied zwischen „Alleinsein“ und „Einsamsein“. Die Figuren sehen sich, selbst wenn sie sich zu mehreren in einem Raum befinden, niemals an. Die Blicke und auch die Gesten gehen aneinander vorbei. Dort wo ein Edward Hopper einen Menschen in der Einsamkeit seines Makrokosmos einpflegt, nämlich der zivilisatorischen Großstadt, zeigt Odermatt ganz subtil, dass es weniger braucht, damit ein Mensch einsam unter vielen ist, nämlich allein, vielleicht sogar isoliert, in seinem persönlichen Mikrokosmos zwischenmenschlicher Beziehungen.
Am eindrücklichsten eingefangen findet sich dieser Gedanken in dem Bild „Ankunft“ verwirklicht: Wie kann eine Ankunft –für gewöhnlich ein Zustand der Freude – so zwiespältig sein? Den Körper angespannt, bleibt die Figur in die Leere vor sich, die eigentlich keine ist, denn sie ist sein farbliches Pendant, aber eben kein figürliches Pendant, so voller Erwartung blickend, bei seiner Ankunft doch allein. Es gibt keine Willkommensgeste, keinen Willkommensblick. Es gibt nur die erwartungsvolle mit Erinnerungen und Assoziationen des Hintergrundes beladene Figur, ohne dass man ihr diese Last ansieht. Und doch bleibt die Deutung schließlich ungewiss: Das Gesicht ist verhüllt. Sie steht und wartet vor einem leeren und doch gefüllten Raum. Sind hier ,Alleinsein‘ und ‚Einsamkeit‘ vielleicht sogar deckungsgleich? Kaum zu entscheiden! Diese Entscheidung überlässt Daniel Odermatt dem Bildbetrachter. An ihm liegt es, die Ausschnitte, der Figuren und Räume, die der Bildende Künstler bietet, zu betrachten und selbst zu füllen und den Spannungen seiner Bilder nachzuspüren und sich selbst gegenüber den poetischen Räumen, deren Ausschnitte er zeigt, zu positionieren.
© Katharina Dück, Sprachwissenschaftlerin, 2. Vorsitzende Kunstverein Neustadt a.d.W e.V.
Am Anfang war die Fotografie
Beate Steigner-Kukatzki
Mit Bekannten und Freunden erarbeitete Daniel Odermatt eine Inszenierung. Es sind keine Porträts, die er sucht. Die Modelle spielen eine Rolle und verkörpern einen Gefühlsmoment. Nicht fotografisch genau, aber sehr realistisch setzt er in Zeichnungen mit Buntstift, Graphit und Pastellkreide und in den großen Gemälden mit Acrylfarbe die Vorlage um.
Die Figuren blicken den Betrachter nicht an – können oder wollen ihm nicht in die Augen sehen oder verstecken sich hinter großen Sonnenbrillen.
Eine weitere Distanz schafft der künstliche unwirkliche Raum. Eingebettet in strenge klar geometrische Farbflächen, wirken die Figuren entrückt, unwirklich, in surreale Räume gepackt. Manchmal sogar ausgeliefert wie in der Arbeit mit dem Titel „ist noch Platz“, in der die rotgelockte, nachdenkliche junge Frau an den Seiten mit breiten Balken begrenzt in einem Rahmen gehalten wird.
Zwischen den naturalistischen Darstellungen und den glatten Farbflächen passiert ein Stilwechsel, der den Blick auf die Situation der Figur schärft.
In den früheren Arbeiten sind die Figuren heller, popartig abstrahiert. In den aktuellen Werken setzen sich Farbflächen klar gegeneinander ab. Titel wie „hier und da“, „Entfernung“, „Abwesenheit“, „Nachwirkung“, oder „zu spät“ unterstreichen den Charakter der Situation, vermeiden aber bewusst eindeutige Erklärungen und lassen Raum für Emotionen.
© Beate Steigner-Kukatzki, März 2012